Ferien vom Krieg in der Oase des Friedens 2006

Eine Woche Sommervergnügen für Kinder aus Flüchtlingslagern in Tulkarem, Jenin und Yaabad, angeregt und finanziert von der Bruno-Hussar-Stiftung Deutschland.

Ein Interview am 1.August 2006 mit Ranin Boulos, Leiterin des Ferienlagers, von Howard Shippin, redigiert von Deb Reich.

Ranin Boulos, 22 Jahre, Tochter von Rita und Daoud Boulos, geboren und aufgewachsen in NSH/WAS, zur Zeit Studentin an der City University London, kam vor zwei Monaten nachhause um den Sommer im Dorf zu verbringen. Ahmad Hijazi, Leiter des Humanitären Hilfsprogramms in NSH/WAS, klopfte gleich bei ihr an und fragte sie, ob sie die Verantwortung für eine Woche Sommerferien für palästinensische Kinder aus notleidenden Familien in Flüchtlingslagern in Tulkarem und Umgebung übernehmen wolle. Ahmad erzählte, daß Aziz, Clubleiter in Tulkarem, anfangs bemerkte, daß er nur mit großer Mühe die Eltern überreden konnte, ihre Kinder ins Lager zu senden, da sie gehört hatten, daß auf Israel Katyuscha-Raketen fallen und es dort sehr gefährlich sein müsse. „Ich mußte lachen“, sagte Ahmad ironisch, „ wenn man bedenkt, daß diese Familien im Flüchtlingslager von Tulkarem leben, wirklich zu keiner Zeit die sicherste Umgebung.“ Hier kommt nun Ranins Bericht vom Erlebnis ihres Ferienlagers.

Ich kam für den Sommer von London nachhause und Ahmad sagte mir, daß es Geld von der Bruno-Hussar-Stiftung für das Dorf gebe, um etwas für palästinensische Kinder zu machen. Aus dem Dorf hatte sich dafür noch niemand gemeldet, so fragte er mich und ich sagte ja.

Wenn du ein großes Essen vorbereitest, verbringst du den ganzen Tag mit Einkaufen, Kochen, Saubermachen, Tischdecken – all diese Arbeit, und wenn dann der Spaß kommt und du mit den Leuten sitzt und ißt, ist alles so schnell vorbei. Dann denkst du: ‚Für 10 Minuten Essen hast du stundenlang gearbeitet.’ So ähnlich fühlte ich mich am Ende des Sommerlagers.

 

Ich habe für das Projekt fast zwei Monate gearbeitet, habe um die Einreiseerlaubnis für die Kinder gekämpft, mich um die Versicherung bemüht, die Gruppenleiter, Schlaf- und Essensplätze, die Aktivitäten, Ausflüge… und als es dann wirklich begann, lief alles so schnell! Ich kann noch gar nicht glauben, daß es schon vorbei ist. Ich wünsche, es wäre nicht.

„Warum Kinder aus der Gegend von Tul Karem? Arbeitet ihr mit einer Organisation dort zusammen?“

Ahmad kennt jemand dort, Aziz, von einer Organisation, die Kindern in Not hilft. Sie haben Sommerlager schon vorher veranstaltet, aber dies war zum ersten Mal innerhalb Israels….

Die Kinder sind alle von Flüchtlingslagern, entweder Tulkarem, Yaabad oder Jenin. Sie alle kommen aus einem schwierigen und schmerzlichen Milieu, sozial und wirtschaftlich. Einige von ihren Vätern waren Shaheeds (sog. Märtyrer der Intifada). Einige haben Väter im Gefängnis. Von einigen sind die Väter erschossen worden. Keine Kinder mit einem normalen Hintergrund.

BEIM GESPRÄCH MIT DER ARMEE HATTE ICH ETWAS ANGST

Die Kinder sollten am Sonntag, 23.7.06, kommen, aber ihre Einreiseerlaubnis wurde nicht ausgestellt. So mußten wir alles um einen Tag verschieben. Wir erhielten die Scheine Sonntagnacht, so rief ich Aziz an und sagte ihm o.k. und sie kamen am Montag. 24.Juli.

Ich hatte etwas Angst beim Gespräch mit der Armee….Ich machte das zum ersten Mal. Ich mußte das ‚misrad heterim’ anrufen, das Armeeamt für Erlaubnisse. Ich war wirklich nervös. Ich erklärte das Lager und was wir tun. Sie waren nicht sehr ermunternd und ich bekam das Gefühl, daß es nicht klappen wird, weil es zu viele Kinder sind. Ich arbeitete für dieses summercamp zwei Monate lang und wußte die ganze Zeit bis zur letzten Nacht nicht, ob es überhaupt stattfinden wird. Bis zum Ende rief ich sie immer wieder an, bettelte, versuchte, daß sie sich traurig fühlen, versuchte, daß sie ein Gefühl für diese Kinder bekommen…. In der letzten Nacht riefen sie an und sagten, o.k. du bekommst die Erlaubnis. Ich war so glücklich… aber ich dachte, ich werde es erst glauben, wenn ich die Kinder hier ankommen sehe.

Weil die Kinder unter 16 sind, brauchen sie keine Einreiseerlaubnis, aber sie brauchen Begleiter und die brauchen Erlaubnis. Keiner von den Begleitern erhielt eine Erlaubnis bis auf ein Mädchen. Dann starb ihr Vater und sie konnte nicht kommen. So hatten sie schließlich überhaupt keine Begleiter. Wir erfuhren dies erst am checkpoint, als wir zu ihrer Begrüßung dorthin kamen. Da sagten wir ihnen, gut, wir werden eure Begleiter sein.

SECHZEHN CHECKPOINTS

Wir kamen zum Anata checkpoint in Jerusalem mit einem Bus aus Israel. Die Kinder kamen in ihrem Bus und wir brachten sie zu dem israelischen Bus. Ich wußte zum Teil nicht, wie ich das machen sollte, und so war ich richtig aufgeregt. Die Kinder, 10 bis zwölf Jahre alt, waren zuhause um 8 Uhr morgens abgefahren und kamen am Anata-Checkpoint um 2 Uhr nachmittags an (normalerweise nur eine Stunde Fahrt). Die jüngeren Kinder waren richtig erschöpft und vielleicht auch verängstigt, alleine, ohne ihre Begleiter zureisen. Ich wartete mit vier anderen Gruppenleitern auf sie in Anata – aber um dort hinzukommen, mußten sie vorher 16 checkpoints passieren. Sie wurden untersucht, sogar am Körper! Sie sind doch Kinder!

Wir kamen, sahen sie und brachten sie in unseren Bus… Was war ich nervös… Ich dachte, Oh, mein Gott! Wo bin ich da hineingeraten? Das ist mehr, als ich schaffen kann… und ich erwartete, daß die Kinder verängstigt und ruhig wären, aber sie waren wirklich warm und lieb. Sie kamen, setzten sich zu mir und gaben mir ein gutes Gefühl…. Ich merkte, daß sie nicht mehr verängstigt waren und fühlte mich wohler. Dr Bus fuhr ab und sie waren wirklich aufgeregt. Es war das erste Mal, daß sie aus ihrem Dorf fort waren… Auf unserem Weg sahen wir eines dieser doppelllangen Busse mit flexibler Verbindung in der Mitte. Da waren sie wirklich aufgeregt: Schau! Schau doch hin! – Diese einfachen Sachen erregten sie sehr. Wir kamen in das Dorf (NSH/WAS) und zur Grundschule, wo die Kinder und ihre Gruppenleiter während der ganzen Woche schliefen.

Wir hatten zwei Klassenräume zum Schlafen, zwei Klassenräume für die Kunstarbeiten, einen Raum als Büro der Gruppenleiter, die Toiletten der Turnhalle und die Turnhalle selbst für den Sport mit den Kindern… So hatten wir uns ein warmes und nettes Lager gebaut. Alles war fertig, bevor die Kinder kamen. Die Gruppenleiter und ich reinigten und bereiteten alles vor für ihre Ankunft.

Wer waren die Gruppenleiter?

Ibrahim Haj Yehia, der die Grundschule von NSH/WAS als Kind besucht hatte.Vor fünf Jahren sind sie hergezogen. Er ist nun 19. Taj Rizik, der 17 ist, ist hier aufgewachsen. Sama Daoud, nun 18, ebenfalls hier aufgewachsen, wie auch Natalie Boulos, meine jüngere Schwester, die 18 ist. (eine Liste aller Mitwirkenden findet sich am Ende).

Nur vier von Euch?

Wir hatten nur vier vorgesehen, da sie mit zwei eigenen kommen sollten. Als die nicht hereinkommen konnten, wurde es mir zu bunt. Ich wußte nicht, was ich tun sollte oder wo ich in der letzten Minute Jugendleiter finden konnte. Glücklicherweise waren da zwei junge Männer vom Norden bei uns, die versuchten dem Krieg dort zu entkommen. So ging ich nachhause und sagte: Hei, ihr müßt mir aus der Patsche helfen! So kamen sie also: einer, Issam Daoud, studiert am Technion in Haifa Medizin. Er ist 24 und dabei sein Praktikum zu starten. Er ist Mediziner, durch sein Dabeisein erfüllten wir auch eine gesetzliche Vorschrift. Der andere junge Mann ist Imad Abu Shkara, auch 24, von Abu Snan. Er studiert Medizin in Italien.

Viele Leute haben mich gefragt, warum wir keine jüdischen Jugendleiter im Lager hatten. Erstens hatte ich Noam Shuster (Tochter von Ruti und Hezi) und Noami Mark (Tochter von Bob und Michal) gefragt. Doch beide bekamen keine Woche von ihrer Arbeit frei.

Zweitens und das ist noch wichtiger, diese Kinder sind alle traumatisiert. Alles Hebräische und Jüdische erschreckt sie, denn alles, was sie kennen, sind Soldaten.

» Gibt es Judenin eurem Dorf? «

Wenn sie dachten, sie sahen einen Juden, oder wenn sie Hebräisch hörten, gerieten sie außer sich und verlangten zu wissen, „Gibt es Juden in eurem Dorf ?“ Ich erklärte ihnen, daß die Juden in unserem Dorf ganz andere seien als die in Uniform im Flüchtlingslager…

Ich brachte Noam Shuster und Noami Mark nach ihrem Arbeitstag. Sie setzten sich zu den Kindern und sprachen arabisch mit ihnen. Ich stellte sie vor und die Kinder begannen Naomi zu prüfen mit Arabisch, das absichtlich schwer zu verstehen war. Nachdem Naomi ihnen sagte, daß sie mit palästinensischen Gefangenen arbeitet (im zivilen Ersatzdienst für Ärzte für Menschenrechte), akzeptierten sie sie und nannten sie Na’ameh (arabisch für Naomi).

Noam kam mit uns bei dem Ausflug nach Jaffa und Uri Sonnenschein kam jeden Tag für zwei Stunden um mit den Kindern Origami zu machen. Ich muß sagen, er war Spitze. Einige jüdische und arabische Kinder aus dem Dorf schlossen sich uns an, u.a. Yonatan Oron, Mai Shbeta, Tali Sonnenschein, Mona Boulos und Amir Kalak, die uns auch auf dem Ausflug nach Jerusalem begleiteten. Sie kamen auch am Abend zu uns, um bei den Kindern zu sein… Amir, selbst noch ein junger Teenager, führt Zauberkunststücke vor, damit kam er auch zu uns; Omer Shuster betätigte sich als D.J.; kleine Kinder wie Isam, Mahmoud, Rani, Aman und Muhammad kamen und luden die Ferienkinder ein mit ihnen Fußball zu spielen. Ich hatte auf noch mehr Beteiligung aus dem Dorf gehofft, aber auf jeden Fall brachten sich einige Kinder stark ein.

Die Jugendleiter mußten die ganze Woche durch, 24 Stunden am Tag, mit den Kinder sein, ihr Arabisch mußte also wirklich fließend sein. Sogar NSH/WAS Kinder, die arabisch sprechen, können nicht alle eine flüssige Konversation mit diesen Kindern in Arabisch führen. Deshalb hatte ich entschieden, daß die 24 Stunden-Betreuer, die die Eltern der Kinder vertreten, Araber sein sollten, und daß andere Aktivitäten mit jüdischer Beteiligung sein sollten.

»Die Frau ist ne Jüdin, aber eine gute Jüdin«

Im Verlauf der Woche konnte man in den Kindern eine echte Veränderung bemerken, auch gegenüber den Juden… Sie sagten Dinge, wie ‚Hadi yehudiyye, bas yehudiyye mniha’… (Die Frau ist ne Jüdin, aber eine gute Jüdin).

Im Schwimmbad und beim Fußballspiel trafen sie jüdische Kinder aus dem Dorf. Yonaton Oron, 13 Jahre, spricht arabisch nicht gut genug, so sprach er hebräisch, und das haben sie am Anfang nicht akzeptiert. Als sie sahen, wie nett er ist, kamen sie sehr gut mit ihm aus. Sie versuchten ihm Arabisch zu lehren. Er nahm zwei Kinder zum Spielen mit nachhause. Mein Ziel war nicht mit den Kindern zu sitzen und zu versuchen sie zu überzeugen, daß nicht alle Juden sind wie die Soldaten, die sie jeden Tag sehen, oder ihre Meinung zu ändern. Alles, was ich zu tun hatte, war, sie das Leben von Neve Shalom/Wahat al Salam leben zu lassen, und das tat mehr, als ich erwartet hatte.

Wie waren die Tage strukturiert? Was machten sie?

Am Morgen standen sie etwa um 8 Uhr auf und um 9 Uhr hatten wir Frühstück. Das Frühstück war Kakao und Brötchen mit Quark und Schokolade; Mittagessen Würstchen, Hummus, Gemüse und ein kaltes Getränk. Abendessen gab es im Speisesaal des Gästehauses, ein richtiges Abendessen. Das ganze Essen wurde vom Gästehaus geliefert – die Sandwiche, Getränke, Früchte usw…

Nach dem Frühstück ging es für zwei Stunden ins Schwimmbad – das erste Mal für sie in einem Schwimmbad.

Alles war für sie das erste Mal. Keiner von ihnen konnte schwimmen. Wir waren mit ihnen im Wasser, zeigten ihnen, wie es geht… Gegen Ende der Woche konnten sie herumpaddeln und Spaß haben, sogar im Tiefen.

Danach wurde geduscht und von eins bis zwei gab es Mittagessen. Dann gab es künstlerische Betätigung mit Lehrern, die mir Umar Ighbaria aus dem Dorf vermittelt hatte. Sie kamen fast jeden Tag um mit den Kindern zu arbeiten, bei Kunst und Werken, Drama, Musik… Abendessen war um 7 Uhr im Speisesaal und danach, von 8 bis 10, gab es Abendaktivitäten. Jeden Abend machten wir etwas anderes: einmal eine Party, eine Nacht im Wald, einmal ein Fußballspiel, einen Abend im Schwimmbad mit Musik und Tanzen.

Ihr ganz eigener Zirkus

Am Dienstag kam der Arabisch-Jüdische Jugendzirkus in unser Ferienlager. Für diesen großen Tag möchte ich Hatem Matar, dem Manager des NSH/WAS Gästehauses danken, der das Kommen des Zirkus auf einer freiwilligen Basis vermittelt hatte. Sie machten eine Show von einer Stunde mit Saltos und Akrobatik, es war wirklich nett.

Dann arbeiteten sie mit den Kindern , brachten ihnen Dinge bei, wie man die Geräte benutzt: Reifen, Saltos auf Matten, Ball Jonglieren… Es war was besonderes. Nachher spielten die Kinder noch mit diesen Dingen. Und sie hatten Fußbälle, die wir ihnen gekauft hatten… und Sachen für die Kunst… Scheren, Farben und große Blätter zum Bemalen. Wir besorgten alles, was für jede Aktivität nötig war.

Bring mich zu meinem richtigen Zuhause

Am Donnerstag machten wir einen Ausflug nach Jaffa, zum Arabisch-Hebräischen Theater. Sie sahen ein Schauspiel in arabisch „Laila wa Ghruyum“ (Nacht und Wolken). Danach betätigten sie sich mit Puppen, mit Leuten vom Theater als volunteers. Sie machten Puppen um sie mit nachhause zu nehmen.

Dann gingen sie durch Altjaffa mit einem speziellen Tourguide. Wir erklärten ihnen alles über die Plätze, die sie sahen. Wir wunderten uns, wie viel sie über die Geschichte des Landes wußten. Sie vollendeten dauernd die Sätze des Guides.

» All diese Kinder waren aus einem Flüchtlingslager, so waren sie alle „von hier“… «

Er sagte, er hatte noch nie eine solche Gruppe gehabt. All diese Kinder waren aus einem Flüchtlingslager, so waren sie alle „von hier“ –einige waren aus Familien von Jaffa; einige wußten genau, wo das Haus des Großvaters war, und dorthin wollten sie gehen und es sehen. Bitte bring mich nach Taibe, nach Beersheba, Jerusalem, Ramle….

Nach der Tour durch Jaffa gingen wir Segeln. Wir hatten so Angst, sie würden über Bord fallen! Sie waren so aufgeregt, legten sich hinaus um das Wasser zu sehen, die Küste und wir schrieen: Nein, Nein! Ich brachte sie in den Raum des Kapitäns, um das Boot zu steuern.

KELLNER! KELLNER!

Dann gingen wir in ein Restaurant – Abu Al-Afia in Jaffa, zum Mittagessen. Sie waren noch nie in einem Restaurant gewesen und fingen an richtig zu bestellen. Wir beobachteten das und lachten. Ich mußte den Kellnerinnen das erklären, damit sie sich nicht aufregten. Es war ein anderes „Erstes Mal“, also machten sie als weiter, winkten mit den Armen: Bring uns dies! Bring uns das! Es war gleichzeitig süß und traurig.

Dann gingen wir an den Strand. Sie waren ganz außer sich… und wir waren ängstlich, da sie nicht wirklich schwimmen können und die See schaurig ist. Alle Jugendleiter gingen ins Wasser und bildeten einen Kreis der Küste gegenüber, die Arme verschränkt, und verboten ihnen an uns vorbei zu gehen. Sie schwammen und sammelten Muscheln… Jedes Kind hatte eine Wasserflasche – stell dir vor! Sie leerten das Trinkwasser und füllten die Flaschen mit Meerwasser, sie verschlossen die Flaschen, schrieben ihre Namen darauf und nahmen sie mit nachhause um sie ihren Eltern zu zeigen. (Tulkarem ist unter normale Umständen nur eine halbe Stunde Fahrt vom Mittelmeer entfernt).

Nach dem Strand fuhren wir ins Lager zurück. Die Begleiter waren erschöpft, aber die Kinder noch voll Energie. Sie wurden nie müde – nie müde! Ich habe solche Kinder noch nie vorher gesehen. Sie gingen Fußball spielen, dann noch was Musik, dann eine Party und wir sagten o.k., das wars, wir brechen zusammen, alle ab ins Bett!

EIN TRIP IN DEN ZOO

Am Samstag ging es in den Biblischen Zoo in Jerusalem. Sie sahen viele Tiere zum ersten Mal im Leben. Es ist ein Streichelzoo, sie konnten sie berühren. Wir hatten Pläne des Zoos und jede Gruppe nahm eine andere Route. Auf dem Gras machten wir Picknick… und dann nahmen wir sie mit in die Altstadt von Jerusalem. Davon hatten sie ihr ganzes Leben geträumt. Sie wollten die Al Aqsa Moschee sehen und ich sagte nein. Ich hatte Angst – ich wußte nicht, wie die Situation sein würde, ob dort eine Menge Leute sind oder nicht. Sie bettelten, bis ich schließlich sagte, ‚Wißt ihr was, wir gehen!’ Es war Samstag und glücklicherweise leer. Wir brachten sie hinein und machten Fotos dort. Dann, sobald sie in die Al Aqsa hinein gekommen waren und so eine Sekunde herumgeschaut hatten, waren sie nun auf einmal dabei ‚o.k. jetzt wollen wir zum Markt!’ Sie sind Kinder! Also brachten wir sie zum Markt und besorgten ihnen dort Sachen und dann ging es zurück ins Lager… Das waren die beiden Tage außerhalb NSH/WAS.

Was war das Beste … für dich?

Um ehrlich zu sein, jeder Tag! Alles,was passierte, war für mich wie „Oh mein Gott!“ und dann passierte etwas anderes und das war für mich auch wieder „Oh mein Gott!“ Das war nicht normal. Ich werde das nie, je vergessen. Ich hatte nicht gedacht, daß es mich so beeindrucken würde. Wir wurden wirklich den Kindern sehr zugetan.

» Der letzte Tag war der traurigste in meinem Leben, ehrlich, ich übertreibe nicht.«

Der letzte Tag war der traurigste in meinem Leben, ehrlich, ich übertreibe nicht. Die Kinder weinten, wirklich sie weinten und wir begannen auch zu weinen. Ibrahim und Issam sind große Burschen. Sie standen auch da und weinten. Die Kinder wollten uns nicht verlassen, einige weigerten sich den Bus zu besteigen. Einer rannte weg, wir mußten ihn suchen und ihn in den Bus bringen. Ich fühlte mich grausam. Ich haßte mich selbst. Ihnen diese tolle Woche zu geben und dann, o.k., das ist es, was ihr nicht habt, nun geht zurück in eure Realität.

Sie haben uns gestern angerufen in der Minute, in der sie ankamen… und heute, wer auch nur ein Telefon hat, ruft an… Wir rufen dann gleich zurück, da sie kein Geld oder Guthaben besitzen um zu reden. Sie sind immer noch sehr traurig. Wir Betreuer und ich werden sie nächste Woche besuchen, wir wollen ein paar Sachen für die Schule kaufen, Schulranzen mit Inhalt..Wir haben ihnen das versprochen und werden das auch tun.

IMMER IN UNSEREN HERZEN

Am letzten Abend, Sonntag, luden wir Leute aus dem Dorf ein zu einer Ausstellung von den Werken der Kinder: Origami, Tonfiguren, Gemälde, Konstruktionen aus Plastik und Theaterstücke. Sie hatten während der Woche etwas Theater gelernt, so stellte jede Gruppe ein Stück vor. Sie waren nicht nach Alter eingeteilt, sondern mehr zufällig mit Jungen und Mädchen in jeder Gruppe und zwei Jugendleiter für jede Gruppe. Die Gruppen hatten Namen, die die Kinder selbst gewählt hatten: Al Amal (Hoffnung), die Gruppenleiter waren Ibrahim und Issam, Al Sukour (die Adler – weil sie fliegen können und frei sind), mit Sama und Emad als Leiter, und Al Nujum (die Sterne – weil sie schön, frei und sicher sind) mit Natalie und Taj.

Nach der Ausstellung und den Vorstellungen gaben wir ihnen Geschenke. Wir hatten für sie T-Shirts gemacht mit der Aufschrift „Wahat al Salam Summer Camp 2006“ und Hüte, die sie am ersten Tag des Lagers erhielten. Am letzten Abend, Sonntag, bei der Party gaben wir ihnen Bilder – drei Bilder für jedes Kind: ein Gruppenbild, eines von ihrem Gruppenleiter, und ein persönliches für das Kind mit nettem Rahmen. Die Rahmen wurden von Diana und Rayek Rizek gestiftet.

Ich hatte für sie noch eine Überraschung gemacht: ein Video, nicht daß ich darin besonders gut bin. Leute aus dem Dorf waren an diesemAbend eingeladen, einige kamen und auch einige Kinder aus dem Dorf. Das Video zeigte alle Fotos und Videos, die wir während der Woche aufgenommen haben. Der Titel: Summer Camp 2006, arabische Musik…

Wie war die?

„Atabtab wadulla“ – ein Lied, das sie liebten und immer wieder sangen, die ganze Woche lang. Es ist ein Liebeslied von Nancy Arjam. Das Video endete mit der Schlußnummer aus „Dirty Dancing“ mit den Worten „ Ich hatte die Zeit meines Lebens gehabt und fühlte mich niemals so…“ Der Schluß sagte: „Immer in unseren Herzen“.

Nach dem Video fingen sie an zu weinen… Wir mußten mit ihnen sitzen und ihnen sagen: „Hei, ihr geht jetzt zurück zu euren Familien… Sie darauf: „Nein, nein – wir haben dort nichts, wir sind hier glücklicher als dort.“. Das war hart zu beobachten. Sogar als ich sie einmal ins Büro nahm um ihre Eltern anzurufen, die Elteren vermissen sie, aber von den Kindern kam nur: „Neh, es ist besser hier!“

Jemand sagte, sie haben eine Woche im Paradies verbracht und nun gehen sie zurück in die Hölle, das stimmt.

Am Donnerstag kam ein Jugendleiter aus Tulkarem mit einer Erlaubnis, sein Name ist Ali. Die Eltern sandten ihn, sie wollten, daß wenigstens eine Person von dort ein Auge auf die Kinder werfe. Dieser Bursche schaute uns bei unserer letzten Party am Sonntagabend an und sagte, „Euer Job ist nun vorbei, nun sind wir dran, wir müssen ihnen helfen sich wieder mit der Realität abzufinden, in die sie zurückkehren.“ – Das macht mich sehr traurig und leer.

GEDICHTE MIT PARFUM

Heute kamen wir aufzuräumen. Wir fanden in dem Durcheinander immer wieder Sachen, die sie gemacht und vergessen hatten. Wir konnten es nicht ertragen, irgend etwas davin wegzuwerfen. Wir behielten sie alle.

In der letzten Nacht schrieben sie uns Briefe. Sie schreiben in einer bezaubernden Art, ihr Arabisch ist schön. Sie schrieben uns Gedichte, richtig schöne Worte. Um ihre Briefe zu parfümieren, nutzten sie Deospray aus dem Bad. Natalie schrieb ein Gedicht für die Kinder in ihrer Gruppe, einen Satz für jedes Kind… Wir weinten, als wir es lasen. Wir waren die ganze Woche übersensibilisiert, wir weinten über jede Sache.

Die Kinder fühlten sich wirklich sicher und vertrauten uns. Wir arbeiteten auch von Beginn an sehr stark daran ihr Vertrauen zu gewinnen und das gelang uns auch wirklich. Aber die Dinge, die sie uns erzählten, brachen mir das Herz, die Sachen, die sie mit ihren Familien durchgemacht hatten, alle diese Gewalt… Es gab Dinge, wo wir nicht wußten, wie wir damit umgehen sollten – Gewalt zuhause, in der Familie… wie die Armee sie im Flüchtlingslager behandelt… Ihre Familien sind arm und haben für nichts Geld… Alle leben im selben Raum, die Ehepaare mit den Kindern… vor den Vätern haben sie Angst…

Sie bekommen keine Umarmung, oder Wärme. Wir gaben ihnen das und zuerst konnten sie das nicht aktzeptieren. Aber sie haben sich daran gewöhnt, wir haben sie immer wieder umarmt und geküßt… Sie kamen zu uns und haben uns Dinge erzählt, über die sie dort nicht reden dürfen, Dinge, die ich hier nicht wiederholen werde.

Ist es fair, sie hierher zu bringen und dann zurückzuschicken?

Darüber habe ich lange nachgedacht… und habe mich dann entschieden, daß es besser ist, als gar nichts in seinem Leben zu erleben.

Nun haben sie wenigstens Erinnerungen. Nun haben sie Hoffnung. Sie kamen hierher und sahen, daß es andere Menschen gibt … Sie lernten sogar ein paar Worte Hebräisch. Sie hatten unser Dorf gern und der Einfluß des Dorfes auf diese Kinder war sehr deutlich. Nun ist es ihnen bewußt, daß die Dinge anders sein können.

Wenn sie erwachsen werden, werden sie daran denken… Sie haben Erinnerungen und Bilder… Wir wollen mit ihnen in Verbindung bleiben.

Verstehen sie, was es heißt ein Palästinenser in Israel zu sein?

Ich dachte, das würden sie nicht. Ich dachte, sie würden uns anschauen und sich wundern, wie das ist, das wir die gleichen sind, mit der selben Sprache, und doch leben wir hier und sie leben dort.

Aber sie verstehen das, sogar mehr als ich dachte. Sie haben ein paar Verwandte hier. Diese sind Flüchtlinge. Sie erklärten mir sogar …über den 48er Krieg, wie die Juden kamen und die Araber gezwungen wurden ihre Häuser zu verlassen. Einge gingen, andere nicht. So kamen die, die nicht weggingen, unter die Autorität der israelischen Regierung und die, die weggingen, sind in Flüchtlingslagern.

Sie verstanden… aber sie wollten hier bleiben. Es war ihnen egal, ob dies zu Israel oder zu den Juden gehört. Sie waren glücklich hier. Sie sagten: „Wir können unsere Eltern von hier anrufen…“

Was würdest du anders machen, wenn du es nochmal machen müßtest?

Ehrlich: nichts. Ich bin sehr zufrieden und stolz. Ich glaube, es war für alle Beteiligten ein großer Erfolg.

Ich bin stolz auf meine Arbeit, und auf die Jugendleiter, die mit mir arbeiteten. Sie waren erstaunlich! Sogar Profis wären nicht imstande gewesen die Arbeit mit den Kindern zu tun, die sie taten.

Ich habe noch nie so tolerante und verständnisvolle Leute gesehen wie Sama, Natalie, Taj, Ibrahim, Issam und Emad. Am letzten Tag hingen sich die Kinder an uns, sie wollten uns nicht verlassen. Es brach uns das Herz. Wir standen da und sahen, wie sie uns aus dem Bus zuwinkten, mit Tränen in den Augen. Nachdem sie fortfuhren, gingen wir in unseren Leiterraum und saßen still da. Niemand sagte ein Wort, wir saßen nur da und schauten in die Gegend.

Die Gemeinschaft von NSH/WAS grüßt alle Freiwilligen des Dorfes, die zum Erfolg des Lagers beigetragen haben:

Leiterin:

Ranin Boulos

Gruppenleiter (die ganze Zeit):

Ibrahim Haj Yehia,
Taj Rizek
Sama Daoud,
Natalie Boulos,
Issam Daoud
Imad Abu Shkara

Und alle anderen Helfer:

Uri Sonnenschein, Origami-Experte
Noam Shuster
Naomi Mark
Yonatan Oron
Mai Shbeta
Tali Sonnenschein
Amir Kalak, der junge Zauberer
Omer Shuster, der junge DJ

Und die Fußballkinder:

Isam, Mahmoud, Rani, Aman und Muhammad.

BESONDEREN DANK AN :

die Grundschule von NSH/WAS,

besonders Faiez, Leah und Anwar für die Überlassung der Klassenräume und der Turnhalle.

Das Gästehaus von NSH/WAS,

besonders Hatem Matar für die Erfüllung aller meiner Wünsche
Ofer Zohar, für die Benutzung des Schwimmbades und die Party am Freitag.
Umar Ighbariya, für die Besorgung der Kunstlehrer.

Aus dem Öffentlichkeitsbüro von NSH/WAS:

Rita Boulos (einen besonderen Dank) für ihre dauernde Unterstützung und dafür, daß wir die Turnhalle umsonst benutzen durften,
Ahmad Hijazi, daß er mir anbot, das Sommerlager zu halten und daß er immer da war,
Howard Shippin, daß er Bilder machte und uns beim Video am letzten Abend half, und
Salim Layos, für die großzügige Nützung des Speisesaals….. und die

DEUTSCHEN FREUNDE VON NSH/WAS, DIE DIE IDEE DAZU HATTEN UND ES UNTERSTÜTZTEN.

 


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